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6. März 2017 Begegnung

6. März 2017, Theater Frankfurt, Spiegelsaal

Liste der Teilnehmer, Moderation Frank Radüg, Protokoll Christina Hohmuth

Erster Eindruck
Wir sind fünfzehn Leute zwischen ca. 16 und 65. Zwei werden später dazukommen. Ich bin erleichtert, dass sie alle da sind, gehe im Kopf durch, wer nicht gekommen ist und beschließe nachzufragen.
Wir sitzen im Stuhlkreis auf Teppichen, neben uns ein kleines Obstbuffet und Getränke, ein Flipchart zeigt die Termine, zu denen eingeladen wird. Sie sind alle noch frei. Die Suche nach Interessierten, nach Teilnehmern für das Projekt, hatte sich als nicht so einfach erwiesen. Aber nun sind wir hier und wir sind alle neugierig!
Wir wissen alle nicht, wohin uns das Projekt führt, aber die Gesichter zeigen Offenheit. Ich kenne nicht viele von ihnen. Erst in der Vorstellungsrunde werde ich erfahren, dass tatsächlich fast die Hälfte von uns einen klaren Migrationshintergrund hat.
Bernd vom Radio Slubfurt hat sein Aufnahmegerät zwischen uns aufgestellt. Wir lächeln verlegen in die Runde.

Dann beginnt Frank mit einführenden Worten
Wie entstand die Idee zu dieser Veranstaltungsreihe?
Schüler in der Schule von Frank hatten sich gefragt, wie sie der Angst von den Fremden, den Flüchtlingen begegnen könnten. Und bald entstand die Frage, was mich an dem „Anderen“ eigentlich interessieren würde. Sie nannten Themen wie Erziehung, Haltung, Freundschaft, Respekt vor Eltern und Geheimnisse. Es waren Themen wie sie uns allen nah sind, weitab vom politischen oder religiösen Hintergrund.
Was ist uns wichtig, was macht uns aus, was verbindet uns…?

Anschließend stellen wir uns alle kurz vor, mancher sogar schon mit einer kleinen Geschichte. Ich höre vom ersten Kontakt mit einer syrischen Familie, von der Freude der Kinder, die die Erwachsenen einander näher bringt, vom bereits existierenden, gut funktionierenden Kontaktcafé samt Trödelmarkt in der Georgengemeinde und von einem Hilfsprojekt in Kobane, höre die Namen der Länder, aus denen die Leute kommen und staune:
Ägypten, Polen, Irak, Afganistan, Zypern, Ukraine - Das klingt alles so fern, denke ich und weil ich selber Mutter bin, hoffe ich im gleichen Atemzug, dass meine Kinder nie so fern von mir leben mögen und ich nehme mir vor, zu fragen, wie es den anderen Müttern damit geht.

Als Überleitung zu dem Zusammentragen der Themen, die für solch einen gemeinsamen Abend interessant wären, formuliert Frank seinen Wunsch, sich gegenseitig fordern zu können „Sieh, das bin ich, hab Teil daran und gib mir auch etwas von dir!“
Und kaum hat er noch von der Bühne als geschützten Raum gesprochen, in dem alles einfach möglich sein darf, sind sie auch schon da, die Themen, und scheinen den Raum nur so zu fluten!

- Geschichten und Mythen
- Freundschaft
- Disziplin und Erziehung
- Respekt vor Alter
- Familie als unzertrennliches Netzwerk, dass mich wie eine „Käseglocke“ abschirmt
- Bewegungskultur - Tanz, Umgang mit dem Körper
- Musik - Bedeutung im Alltag, Schlaflieder, Tischlieder/Sprüche
- Ursprung - wir kommen alle aus dem gleichen Kern - was trennt uns (ab), woher unsere Angst
- Das Stadtgefühl - Wie nehmen wir uns wahr - Wie die anderen - wie wirkt unsere Stadt, das Land, wir auf andere?

  1. Beziehung - Wie pflegen, erhalten wir Kontakte und wie knüpfen wir neue, überwinden unsere Hemmungen, einander anzusprechen? Welche Bedeutung hat Beziehung, wenn der Fortschritt den praktischen Nutzen aushöhlt?
  2. Essen und Kochen
  3. Umgang mit Emotionen - den guten wie den Schlechten (Trauerbewältigung und Liebe…)

Austausch
Nada erwähnt die vielen Gruppen in der Schule, die sich durch die Sprachbarrieren bilden. Sie seien zu bequem, sich untereinander sprachlich zu vermischen, denn das ist für beide Seiten immer anstrengender. Und das ist wahr. Wenn der Kontakt unter uns deutschen Nachbarn schon nicht leicht ist oder gar nicht vorhanden ist, warum sollten wir dann plötzlich für Fremde die Türen öffnen, die vielleicht noch nicht einmal unsere Sprache sprechen?

Ich denke an manche Gespräche im Vorfeld zurück. Auf unser Einladungsschreiben reagierten viele erst gar nicht, andere entschuldigten sich damit, dass sie Angst hätten vor Folgen, wenn sie an solch einem öffentlichen Projekt mit Migranten teilnähmen. Wir hätten uns davon beinahe entmutigen lassen. Doch soweit sollte es nicht kommen!

Hier sind wir nun und hier wird der Austausch rege.
Hier wird nun gemalt, gegessen, getrunken geschwatzt und  hier werden Verbindlichkeiten auf der Adressenliste verewigt, auf der man sich eintragen kann, wenn man weiter dabei sein mag. Das Eis ist endgültig gebrochen. Ich bin erleichtert und lausche.
Da ist die Geschichte von dem Haus der Solidarität im Thüringer Wald, mit Migranten hergerichtet als vorübergehende Bleibe, dort klingt politische Kritik und der Wunsch nach mehr Verbundenheit der Schwachen miteinander über die Kulturen und Religionen hinweg, und etwas weiter höre ich die Geschichte von der (deutsch-zyprischen) Hochzeit, die wegen des „unromantischen“ Berges von Papier weiter und weiter verschoben wird, von Kindern die ihre Eltern mit der Nachricht schockten, sie hätten jetzt einen afrikanischen Freund/Freundin, von der Mama, die traurig ist, weil der Sohn so weit fort ist und ständig anruft, noch nach Jahren…

Abschluss
Während der Abend ausklingt, haben sich zwei Grüppchen gebildet. Auf der einen Seite sitzen die Schüler, die sich mit Frank angeregt über ein mögliches kleines Theaterstück unterhalten, mit dem sie ihren Migrations-Erfahrungen Ausdruck verleihen könnten, auf der anderen Seite sitzen kauend die Älteren und planen den nächsten Abend.
Beziehung soll das Thema sein. Das deutsch-zyprische Paar hat sich bereit erklärt und das ist schon ziemlich spannend!
Als ich voller Tatendrang heimgehe, muss mich sehr zurückhalten, nicht gleich zum Telefon zu greifen.
Morgen, denke ich, gleich morgen früh werde ein weiteres Multikulti-Pärchen zum 20. März einladen! Und ich weiß auch schon wen…

20. März Beziehung

Beziehungen in unterschiedlichen Kulturen Gegen 17 Uhr trafen sich die Teilnehmer der Moderationsrunde
und tauschten sich zu möglichen Themen aus. 
Wobei der Moderator versuchte herauszufinden,  welche Themen an diesem Abend ausgespart werden sollten, bzw.  wie diese sensibel zu behandeln sind, z.B. 
"Die Entdeckung des eigenen Körpers" oder  "das Bewerten von kulturellen Besonderheiten".
Dem Gespräch stellten sich ein deutsches-zyprotisches Paar, die seit 5 Jahren in einer offenen Beziehung leben, eine türtkische MIgrantin, die eine Zwangsehe hinter sich hat, und ein frisch verheiratetes Paar, wo er deutscher und sie polnischer Herkunft ist. Gegen 18 Uhr kamen die Gäste dazu. Unter den Gästen waren syrische und afganische Flüchtlinge, deren Kinder und weitere Jugendliche und Erwachsene aus Frankfurt (Oder). Besonders bemerkenswert, dass sich Jugendliche des angrenzenden Gymnasiums dieser Thematik so interessiert stellten. 
Dem Moderator gelang ein spannendes und informatives Gespräch mit den Beteiligten zu führen, die offen über ihre Beziehung, die damit verbundenen Schwierigkeiten und über persönliches Glück sprachen. 
Die kulturellen Unterschiede wurden schnell deutlich, selbst im Gebrauch von verbalen oder nonverbalen Liebesbekundungen.  An der Veranstaltung nahmen 21 Personen teil. 
Die nächste Veranstaltung wird im Rahmen der Frankfurter Theatertage stattfinden. 
Am Samstag den 1. April 2017, von 10-13 Uhr treffen sich unterschiedliche Nationen zu einer gemeinsamen Werkstatt unter dem Thema: "Die Sprache des Körpers kennt keine Grenzen"
Diese Veranstaltung findet im Gemeindezentrum in Neuberesinchen statt. Am 3. April, ab 17 Uhr befassen wir uns mit der Thematik "Respekt in der Familie".
Diese Veranstaltung findet wieder im Theater Frankfurt/Theater im Schuppen e.V. statt. (Die Interviewaufzeichnung zur letzen Veranstaltung liegt im Theater vor.)

1. April - Körper

Eingebettet in die 27. Frankfurter Theatertage fand heute die 3. Veranstaltung von COUCHGEFLÜSTER  unter dem Motto "Die Sprache des Körpers kennt keine Grenzen"
statt.

Um die 45 Teilnehmer aus Deutschland, Italien, der Ukraine und Polen versammelten sich im Gemeindehaus in der Berendsstraße.
Nach einer Einleitung im Stuhlkreis sammelten wir uns in unterschiedlichen Werkstattgruppen.
Ich nahm an der Gesten-Werkstatt von Christina Hohmuth teil, lernte die 18 internationalen Gesten kennen und erarbeitete eine kleine Szene dazu. Wir hatten viele Spaß und überraschender Weise überhaupt keine Verständigungsprobleme. Aus anderen Werkstätten hörte ich ähnliches. Die Werkstattleiter arbeiteten mit verschiedenen Methoden: Stimme, Improvisation, Tanz, Psychodrama und eben Gesten. Jede Gruppe hatte ihre eigene Szene, die am Ende alle zu einem Stück zusammengeführt wurden, welches die geladenen Gäste sehr begeisterte.
Wir sprachen und sangen in allen Sprachen. Dabei wurde mir klar, dass die Sprache hier nur als Medium für Rhythmus und Stimmung oder zur Vertiefung eines Konflikts diente. Die Handlung selbst wurde durch die Bewegungen deutlich.
Das waren für mich großartige 20 Minuten, in denen wir alle gemeinsam lachten und zitterten und eine Performance schufen, die durchaus ihren klaren roten Faden und einen Spannungsbogen hatte, der fesselte. Sie endete in einem Gruppenbild, im Chor, aller Teilnehmer, die gemeinsam, raumfüllend den Epilog des Stückes rezitierten - Ein wunderbares Erlebnis!
In einer kurzen Reflexionsrunde besprachen wir das Erlebte. Ich glaube, für mich hätten Worte solch eine Erfahrung nicht schaffen können. Die Werkstatt wurde ihrem Motto absolut gerecht.

3. April - Respekt

1. April 2017, Theater Frankfurt, Spiegelsaal

Moderation Frank Radüg, Protokoll Christina Hohmuth

Heute war ich zu Gast bei der vierten Veranstaltung aus der Reihe Couchgeflüster im Theater Frankfurt. Dort traf ich neben einigen deutschen Gästen auch Dayvid Ouloo und seinen Vater aus dem Irak, ein afganisches Geschwisterpaar – Shapiri und Toryali Omary, eine ukrainische Schülerin Valeriya Sokolova, die türkischstämmige Zübeyde Öksüz, und deren Schwägerin Frau Diane Schiller, die selbst einer deutsch-polnischen Familie entstammt, wie ich dann erfuhr. Das Gespräch leitete Frank Radüg. Wir saßen im Stuhlkreis, so dass sich alle gut sehen konnten und kamen schnell in den Austausch. Unser Thema heute: RESPEKT.
Dass Respekt für uns alle ein paar unterschiedliche Aspekte beinhaltet, war schon klar, aber dass sich das Thema Familie daran so dicht umreißen lässt, überraschte mich. Respekt innerhalb der Familie bedeutet für die ausländischen Teilnehmer so viel mehr als bei uns. Das geht vom bedingungslosen zuhören über kleine Aufmerksamkeiten bis hin zum gemeinsamen Kuscheln und absoluten Zusammenhalt in Krisensituationen. Da verließ das afganische Mädchen wegen einer SMS mitten in der Deutschklausur die Schule um zu ihrer Mutter zu fahren, die ins Krankenhaus ging. Da schlafen die Kinder noch viele Kinderjahre im Zimmer oder gar im Bett der Eltern. Und arbeiten schon im Kindesalter nach der Schule bei den Eltern mit in der Firma, ohne Vergütung.
Schnell wird klar, dass auch die deutschen Kinder das ab und zu mal machen, aber nicht regelmäßig. Auf die Frage hin, ob auch die Eltern den Kindern gegenüber respektvoll sind und wie sich das zeigt, sprachen wir auch über verschiedenen Formen der Bestrafung und Belobigung. Grenzen setzen ist wichtig. Das hat mit Kultur nichts zu tun. „Alle Kinder haben das Recht auf Bestrafung“ zitierte Frank einen neuzeitlichen Psychologen. Die Teilnehmer kannten sehr unterschiedliche Formen der Bestrafung - vom Einsperren, in die Ecke stellen bis zum Schlagen oder mit dem Gürtel „vertrimmt“ werden gab es eine große Bandbreite. Auch der Erhalt der Hierarchien in den Familien war ein Thema.
Doch sehr auffällig wurde hier der Einfluss der westlichen Gedanken. Vieles was hier möglich sei, wäre in den Heimatländern unmöglich - blaue Haare, kurze Kleider, langes Fortbleiben am Wochenende… Die Freiheit in Deutschland ist weit größer, die Strafen weniger körperlich. Aber alles hat Grenzen, klare Grenzen: Sich in einen Deutschen Mann, in ein deutsches Mädchen verlieben, das sei zumindest bei den afganisch- oder türkischstämmigen Teilnehmern ein Ding der Unmöglichkeit. Die Eltern haben einen Ruf zu verlieren!
Was würdest Du tun, wenn Dein Vater von dir verlangen würde, zurückzukehren um zu kämpfen?
Das war für keinen der Teilnehmer vorstellbar. Überhaupt war an eine Rückkehr nicht zu denken, weil die Kinder schon hier geboren waren oder hier lange aufgewachsen sind, Dayvid selbst war als heranwachsender der Motivator für seine Eltern, aus der Heimat wegzugehen. Hier hat er klare Perspektiven für die er hart arbeitet. Ein Zurück gibt es nicht. „Das wäre ein mutiges und respektvolles NEIN“, sagt Dayvid.
Nur Valeria überlegt lange. Da ihre Eltern zur Hälfte russisch-orthodox und jüdisch sind und den Glauben in der Sowjetunion nicht leben konnten, fühlt sie einen Verlust. Sie ist auf der Suche nach ihrem Glauben, macht Fahrten mit jüdischen Jugendlichen und will auf jeden Fall auch Israel besuchen.
Shapiri ist ihrer Meinung. Als Frank in die Runde fragt: „Was würdest Du mir von Euch schenken, wenn Du könntest?“, da antwortet sie ohne nachzudenken „Meinen Glauben, der uns allen Halt gibt und die herrlichen Feste voller Nähe, voller Traditionen und voller Herz. Das ist was ganz Tolles!“
Sie erzählt, dass sie hier in Deutschland einiges an Traditionen aufgegeben hat, aber anderes niemals missen möchte. Sie macht mich sehr neugierig. Gern wäre ich einmal auf einer afganischen Hochzeit um mir diese Tänze und die kleinen Geschichten, die gespielt werden anzuschauen!
Mit einem Austausch über Theater und Theaterformen in den verschiedenen Heimatländern, über die Geschlechtertrennung zum Beispiel in Afghanistan und die jetzige Situation dort, klingt das gemeinsame Gespräch aus. Viele Teilnehmer sind noch lange da, essen mitgebrachte Leckereien, unterhalten sich in Gruppen, nehmen die Fäden aus dem Gruppengespräch wieder auf und malen nach und nach ein weiteres Acryl-Bild.
Ich werde noch lange über kulturellen und familiären Halt nachdenken. Es war ein sehr schönes, freies und anregendes Gespräch.
In zwei Wochen soll es genau hier mit dem Thema Traditionelle Feste, Mythen und Musik weitergehen.

Erweitertes Protokoll im Theater Frankfurt.

24. April - Traditionen und Mythen Kleine Geschichten die das Herz erfreuen.

8. Mai 2017

Märchen, Sagen und Legenden

Heute hatten wir eine Familie aus Syrien als Gäste, die neben mir und Lena, einer deutschen Schülerin im Podium saßen. Außerdem kamen Teilnehmer aus der Türkei, aus Polen, der Ukraine und aus Deutschland.
Wir sprachen über Gewohnheiten, über Respekt und vor allem über den Stand der Familie in der jeweiligen Kultur.
Als das Gespräch auf die Geschichten kam, die unsere Kindheit prägen, staunten wir Deutschen sehr darüber, dass auch unsere Gäste aus Syrien die Märchen der Gebrüder Grimm gut kennen. Die Kinder dort sind ebenso vertraut mit Schneewittchen und Rotkäppchen wie unsere Kinder. Ich wusste nicht, dass diese so weit verbreitet sind!
Es gibt in Syrien auch die traditionellen Geschichtenerzähler im Café, aber diese Art des Erzählens wird offenbar nicht unbedingt mit der Kindheit verknüpft.
Bei mir kamen neben den russischen Märchen, die auch Frank sehr geprägt hatten, auch noch die sozialistischen Märchen wie „Christine und das Wolkenschaf“ oder „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ dazu. Ich denke, das ist weniger eine Frage der Kultur als der Generation einer bestimmten Zeit. An meine Kinder gebe ich sie noch weiter, aber dann werden sie wahrscheinlich irgendwann verschwinden.
Auch der Papa unserer Gäste wurde nach Märchen befragt. Er antwortete, dass er sich nicht erinnere, weil der Krieg viele Erinnerungen an die Kindheit verschwinden gelassen hat.
Schlaflieder gibt es auch überall, doch die Kinder unserer Gäste lieben die Stille zum Einschlafen.
Sie erzählten, dass in Syrien alle sehr viel zusammen sind. In ein anderes Haus geht ein Kind erst, wenn es dort verheiratet werden soll.
Wenn ich das richtig verstanden habe, hat das Paar heute geheiratet als sie gerade mal 8 Jahre alt war und schon bald danach kam auch das erste Kind. Das Paar wirkte ausgeglichen und zufrieden, sprach davon, wie schön das Familienleben sei, wie dicht und sozial, wie stützend und davon, wie sehr sie doch die Eltern, Onkels, Geschwister vermissen, die durch den Krieg in alle Winde verstreut leben. Wie fremd, wie lose müssen wir Ihnen da erscheinen!
Bei Ihrem familiären Austausch geht es nicht um Geburtstage, die seien für sie nicht so wichtig, eben nur ein Anlass, um sich zu freuen.
In Syrien kommt zum Beispiel jeden Freitag die GANZE Familie (Brüder, Schwestern, Onkels, Tanten, Omas, Opas zusammen. Die Männer spielen und die Frauen reden, planen. Das ist sehr wichtig dort.
Jetzt ist das Internet der einzige Weg, Kontakt zu halten. Sie ist Lehrerin, er handelt mit Elektronik. Die 4 Kinder gehen alle fleißig zur Schule und lernen.
Frank brachte einen interessanten Gedankengang ein:
In unserer Kultur suchen viele das ganze Leben lang nach etwas, was sie vage als SINN bezeichnen, dabei ist es vielleicht eben das alte archaische dichte Netz der Familie, das diese Funktion hätte erfüllen können.
Hier bei uns ist dieses Netz meist sehr klein, auf Mutter/Vater/Kind beschränkt, und dazu großmaschig, trifft man sich doch irgendwann nur noch zu den Malzeiten (wenn überhaupt). Und wie morsch ist dieses Netz, wenn ich mir die Trennungen anschaue…
Auf die Frage: „Was würdet ihr uns aus Eurer Kultur schenken?“, antwortete sie ganz klar: „Respekt gegenüber Älteren und besonders auch gegenüber Lehrern.“
An der Schule ihrer Kinder habe sie da einiges erleben müssen.
Eltern sollten mehr Zeit für ihre Kinder haben, sagte sie noch, damit diese Regeln lernen und sich sicher fühlen können. Alle sollten zusammen eine gute nächste Generation für Deutschland schaffen. Es liegt in unserer Hand.
Der Abend klang mit vielen Einzelgesprächen aus. Es war wirklich spannend!
Ich freue mich schon auf ihren nächsten Besuch, denn am 19. Juni werden wir mit ihnen über Freundschaft sprechen!

22. Mai 2017

Erziehung

Ein heikles Thema. Die Deutschen sind nicht erzogen, wissen nicht was sich gehört, sind ICH bezogen und pflegen oberflächliche narzistischen Beziehungen. Diese Auffassung durchzog sich durch den Veranstaltungsabend udn wurde von den deutschen Teilnehmern bestätigt. "Das Recht auf Bestrafung hätte jedes Kind!" formuliertze ein 12 Klässler. Unkommentiert lasse ich diese Aussage stehen. U. Reimer
   
   
19. Juni 2017 Freundschaft

Der heutige Abend barg wie so oft in dieser Veranstaltungsreihe einige Überraschungen.
Nachdem erst die syrische Gastfamilie, die das Podiumsgespräch führen sollte aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatten, kamen an ihrer Stelle 10 Jugendliche aus Syrien, die momentan im OSZ einen Sprachkurs machen.
So waren wir insgesamt am Ende eine bunte Mischung aus 19 Leuten mit 5 Nationalitäten zwischen 9 und 59 Jahren.
Spontan bot Frank Radüg ein lockeres Körpertraining an, dass auch wirklich alle mit Spaß mitmachten. Wir begannen mit dem Laufen im Raum, mit kurzen Berührungs-Reaktionsspielen, die paarweise gemacht wurden, führten einander blind durch den Raum, machten Handstand auf den Füßen des Partners, drückten und zogen uns paarweise und teilten uns schließlich in zwei Gruppen auf um uns gegenseitig über ein Seil zu ziehen. Auch eine lustige szenische Bewegungssequenz entstand als zwei Jungen die Hände zu einem Guckloch formten, um ein Mädchen zu betrachten, um dann vom kleinen Bruder des Mädchens verscheucht zu werden.
Schließlich folgte ein Gespräch über Freundschaft - darüber, wie die Jungen versuchen Kontakt nach Hause zu halten, darüber dass auch Freundschaft in Syrien stark von der Familie beeinflusst wird und darüber, dass Gästen mit am meisten Respekt und Hochachtung entgegengebracht wird.
Alle Teilnehmer sicherten zu, dass sie auch in der nächsten Woche kommen wollen. Dann werden wir gemeinsam noch stärker ins szenische Spiel übergehen.

26. Juni 2017 Geschenke

Die Teilnehmer heute waren fast nur junge Leute, durchschnittlich 25 Jahre. Zum größten Teil kamen sie aus Syrien, aber auch Polen, Afghanistan, die Ukraine und Deutschland waren vertreten.
Heute starteten wir gleich auf einem sehr hohen Energieniveau. Wo in der letzten Woche noch Einführungsgespräche waren, da rannten wir diesmal schon kreuz und quer durch den Raum, führten uns an den Händen, machten Handstände und Kopfstände auf den Oberschenkeln eines Partners, rollten über die Schultern, stellte uns auf einen flach auf dem Boden liegenden Partner, der mit uns auf dem Rücken aufstand, und vieles mehr. Die Übungen wechselten schnell und wir überraschten uns ständig wieder. Ein ergab die Idee für das Nächste…
Hier stand immer wieder der Mensch an sich im Vordergrund, der Mut, die Kraft, er Impuls, das Staunen, der Spaß. Die Kulturen, die unterschiedlichen Sprachen rückten dabei zwischenzeitlich in den Hintergrund.
Das Beeindruckendste war für mich der Sprung von hinten über einen Stuhl - aus dem Stand. Fast alle Männer schafften das. Und bald ergab sich eine kleine lustige Macho-Szene: Sie sitzt auf einem Stuhl, drei Männer erspähen sie und treten in einen Konkurrenzkampf, springen über die Lehne Ihres eigenen jeweiligen Stuhls und setzen sich überlegen in lässige Siegerpose, nur einer von ihnen bringt den Mut nicht auf und setzt sich schließlich schamhaft von vorn auf den Stuhl. Natürlich wird dieser von der Lady am Ende ausgesucht… Auch umgekehrt wurde die Szene gespielt - die Frauen in Pose, der Mann wählte. Wir haben viel gelacht.
Außerdem haben wir in 5 Gruppen je ein Märchen gespielt. Auch hier hatten wir viel Spaß. Viele standen das erste Mal auf der Bühne. Ihre Klarheit und der Mut, es einfach zu tun, sich ins Zeug zu legen, auf die Gefahr hin, sich zu blamieren - das war toll!
Am Ende saßen wir bei polnischer Gurkensuppe beisammen und schwatzten über das Erlebte.
Schon gibt es Stückideen. Und beim nächsten Mal sind alle wieder mit dabei!

24. Juli 2017 Abschluss der 1. Runde

In der Veranstaltungsreihe „Couchgeflüster“ fand heute ein erster großer Höhepunkt statt. Neben Flüchtlingen, Menschen mit Migrationshintergrund und Gästen, die bei den letzten Male schon mit dabei waren, fanden sich auch neue Gäste ein, die gleich mit ins Gespräch einstiegen. Thema war heute das erste Mal auch die momentane Lebenssituation der Flüchtlinge und ihre Position zur deutschen Politik. Wir malten imaginäre Bilder der Stadt und unseres Lebens in 10 Jahren. Dabei kamen angesichts des stetig steigenden Gewaltpotenzials und der Furcht in der Bevölkerung auch sehr bedenkliche Szenarien zur Sprache. Wir diskutierten über Ursachen und Anlässe von Ausschreitungen wie in Hamburg und überlegten gemeinsam, was wir dazu beitragen könnten, um das Leben miteinander entspannt zu gestalten.
Anschließend spielten wir in kleinen interkulturellen Gruppen Szenen, die sich mit Themen der letzten Veranstaltungen befassten, mit Themen in der Schule, in der Familie und dem alltäglichen Geschehen auseinandersetzten. Eine Reflektion der letzten Veranstaltungen, zusammengefasste Erfahrungssequenzen, vorbereitet und erarbeitet durch einzelne Teilnehmer, bildeten die Grundlage für diesen theatralisch aufgearbeiteten Abend.
Einmal mehr sah ich wie die Darstellung eines Textes seine Wirkung bestimmt. Denn obwohl der Stoff sehr zum nachdenken anregt, haben wir doch auch viel gelacht und konnten locker darüber sprechen, wie die einzelnen teilweise grotesken oder auch alltäglichen Szenen auf uns wirken und wo wir Parallelen zu eigenen Erfahrungen ziehen können.

Am Ende standen die Fragen: Was macht einen friedliebenden Menschen gewaltbereit? Wer bestimmt unser Handeln, die Politik oder die Familie? Wie stark muss man sein, um eigene Entscheidungen zu fällen und diese auch zu verantworten?

Wir schlossen das Ereignis am späten Abend mit einem regen Austausch bei leckerem gemeinsamen Essen und der Gestaltung des Zehnten Bildes ab. Lena M.